Einmal Hölle und zurück

23.03.2016

Wenn die italienische Sportzeitung »Gazetta dello Sport« die europäische Elf des Spieltages präsentiert, werden in der Regel viele namhafte und bekannte Spieler gelistet. Das war auch dieses Wochenende nicht anders: Riyad Mahrez, Jonathan Tah oder Hatem Ben Arfa schafften es in die Auswahl.


Held des Spieltages aber war ein anderer: der deutsche Abwehrspieler Stefan Thesker vom niederländischen Klub Twente Enschede. Mit dieser Nominierung hätte vor ein paar Wochen wohl noch keiner gerechnet. Er selbst wahrscheinlich am allerwenigsten.

Gefeiertes Comeback: Stefan Thesker (Mitte). (Foto: imago)


Türsteher mit Geld beworfen

Es sind ereignisreiche Wochen, die der ehemalige U-21-Nationalspieler Stefan Thesker hinter sich hat. Kurz vor Weihnachten landete der 24 Jahre alte Verteidiger, der beim Zweitligisten Greuther Fürth unter Vertrag steht und in Enschede auf Leihbasis spielt, negativ in den Schlagzeilen. Im Netz tauchte ein Video auf, das den Profi zeigte, wie er sich vor einer Nürnberger Disko mit den Türstehern anlegte. Der unrühmliche Moment endete damit, dass Thesker sein Portemonnaie rausholte und einen Türsteher mit einem Geldschein bewarf.

Thesker, der zu dem Zeitpunkt stark angetrunken war und seinen persönlichen Stress an den Türstehern ausließ, entschuldigte sich kurz nach Auftauchen des Videos, konnte die mediale Welle aber nicht mehr stoppen.

Gebrandmarkt als arroganter Macho

Zur Vorbereitung auf die Rückrunde wurde Thesker Mitte Januar aus dem Profikader gestrichen. Während die Fürther Profis im spanischen Mijas ein Trainingslager bezogen, trainierte der Aussortierte für eine Weile bei der U23 mit. Der Verein begründete diese Entscheidung mit der »großen Konkurrenzsituation«. Dass Thesker in der Hinrunde mehr als die Hälfte der Spiele bestritten hatte, schien nach den Eskapaden des Profis keine große Rolle mehr zu spielen.

Ende Januar wurde der Verteidiger auf Leihbasis in die holländische Eredivisie zu Twente Enschede abgebeben, wo er bereits in der Jugend gespielt hatte. Thesker, der fließend Niederländisch spricht, wollte wieder Fuß fassen und seinen Ruf rehabilitieren.

Twente Enschede freute sich und stellte sich in Person von Ted de Leeuw, dem technischen Direktor Twentes, demonstrativ vor den Neuzugang: »Wir wissen, dass Stefan zuletzt negativ in den Medien war. Allerdings sind wir sicher, dass das ein einmaliger Vorfall war«. Die Vergangenheit sollte keine große Rolle spielen. Die Vorfreude auf eine gemeinsame, positive Zukunft war groß – auf beiden Seiten. Doch der Plan ging zunächst nicht auf.

Ein Tumor im Unterleib

Am 30. Januar erhielt Thesker eine erschütternde Nachricht: Diagnose Hodenkrebs. Doch er ließ sich davon nicht unterkriegen und spielte nur 24 Stunden nach Bekanntwerden seiner Krankheit im Ligaspiel gegen den FC Utrecht. Dabei wollte er zunächst gar nicht auflaufen, erst nach einem Gespräch mit seiner Familie entschied er sich für einen Einsatz.

Unmittelbar vor Anpfiff erzählte Thesker seinen Mannschaftskameraden von seinem Tumor. Er wollte ihnen nichts verheimlichen. Twente Enschede gewann mit 3:1, und der Abwehrspieler, der kurz nach der schlimmen Diagnose sein erstes Pflichtspiel nach der Diskoaffäre bestritt, stand eine gute Stunde auf dem Platz. Am Tag nach dem Sieg verließ der Deutsche die Niederlande und reiste in seine Heimat. 

 

Die Vergangenheit hat Spuren hinterlassen

 

Wenige Tage danach ließ sich der gebürtige Ahauser in seiner Heimatstadt operieren. Der Eingriff, bei dem Thesker ein Hoden entfernt wurde, verlief ohne Probleme. Dennoch wusste kurz nach der Operation niemand, ob die Karriere weitergehen würde.

Seine Mitspieler widmeten Thesker den 3:1-Sieg über den SC Heerenveen nur einige Tage nach dessen Operation. Twentes Spieler machten sich vor dem Spiel in eigens kreierten Shirts warm: »Stefan sterkte«. Stefan, sei stark.

Auch in Fürth hatte man von der Erkrankung des ehemaligen Mitspielers erfahren. Die Fürther liefen vor dem Ligaspiel gegen den FSV Frankfurt mit  »Bleib stark Thes«-Shirts auf. »Ich wusste nichts davon und habe mich natürlich sehr darüber gefreut. In so einer schwierigen Zeit, tut so etwas einfach nur gut«, sagt Thesker über die beiden Gesten.

Autor seiner eigenen Erfolgsstory

Umso erstaunlicher ist, was sich vergangenes Wochenende in Enschede abspielte. Thesker, der seit Ende Januar kein Pflichtspiel bestritten hatte, gab sein Comeback im Eredivisie-Spiel gegen AZ Alkmaar – nicht mal zwei Monate nach seiner Operation. Beim Stand von 0:1 wurde er in der 71. Minute eingewechselt. Vier Minuten nach seiner Einwechslung köpfte er den Ball vor 25.000 Menschen zum 1:1-Ausgleich in die Maschen. Besser hätte es nicht laufen können. Doch Alkmaar traf zwei Minuten später zur erneuten Führung.

»Als das 2:1 für Alkmaar fiel, dachte ich nur: Mist, mein Tor hat der Mannschaft nicht geholfen«, sagte Thesker nach dem Spiel. Doch Twente und insbesondere Thesker steckten nicht auf. So kam es, dass Thesker an diesem Sonntag doch noch seine eigene kleine Erfolgsstory schrieb. In der 93. Minute köpfte er den 2:2-Ausgleich – das Stadion bebte. »Der Jubel fühlte sich für einen kurzen Moment so an, als wären wir Meister geworden – das werde ich nicht vergessen.«

Demut statt überschwänglichem Stolz

Nach seinem famosen Comeback stand der nachdenkliche Doppeltorschütze auf dem Rasen und gab ein Interview: »Ich habe eine schwere Zeit hinter mir, da tut so ein Tag natürlich unglaublich gut. Nach dem was ich durchgemacht habe, will ich eigentlich nur noch über die guten Dinge reden. Das will ich ab jetzt so beibehalten«.

Damit könnte er diese Woche beim Training anfangen. Wer von seinen Mitspielern hat es denn wohl vor ihm mal in die »Gazetta dello Sport« geschafft? Aber Prahlerei war Thesker in den vergangenen Tagen fremd, der Spieler hat Demut gelernt. So fiel es ihm sichtlich schwer, sich nach dem Spiel gegen Alkmaar vor die Kurve zu stellen und auf »Stefan Thesker«-Rufe der Twente-Fans angemessen zu reagieren.


Foto: Gazetta dello Sport

Er wollte den Moment mit der Mannschaft genießen, sagte er später, und sich nicht in den Vordergrund stellen. Dies gelang ihm auch ganz gut, doch irgendwann ließ sich Thesker zu einem Urschrei vor der Kurve hinreißen – vielleicht der Moment, in dem er sich all die negativen Moment der jüngeren Vergangenheit von der Seele schreien wollte. 

Es ist eine Geschichte die zeigt, wie schnelllebig das Fußballgeschäft ist. Von der Disko und der medialen Schelte über die Krebsdiagnose bis zum grandiosen Comeback. Ein Comeback, das es bis in die »Gazetta dello Sport« geschafft hat. Die Überschrift der Elf des Spieltages: »Stefan Thesker – due gol da Panca – zwei Tore von der Bank«. Folgende Überschrift hätte ihm sicher besser gefallen: Ein Tor gegen die Vergangenheit und ein Tor für die Zukunft.

(aus: www.11freunde.de; Text: Konstantin Westenhoff)

Aktuelles

31.08.2024

Im Briefkasten und online - der neue SuS-Express

Der neue SuS-Express ist erschienen

mehr »

30.08.2024

Pokal-Aus für zwei JSG-Teams

Juniorenfußball-Kreispokal 2024/25

SuS Stadtlohn A I - JSG A I 12:0

SpVgg Vreden D I - JSG D I 6:1

mehr »

30.08.2024

Neuer Termin für die SuS-Ferienfreizeit

SuS-Ferienfreizeit:

27. 7. bis 5. 8. 2025 auf Ameland

mehr »

29.08.2024

Nach DJK-Rückzug ins Pokal-Achtelfinale

Altherrenfußball:

Per Freilos in Runde 2

mehr »

29.08.2024

SuS-Tischtennis kooperiert mit der Paulus van Husen-Schule

Tischtennis:

Förderung vereinbart

mehr »